Tragödie in Oxford

Wie ich gesehen habe, wurde auch in den deutschen Nachrichten über den Amoklauf in Oxford berichtet. Ein 15-Jähriger hat am 30. November in der Oxford High School in Michigan 4 Mitschüler erschossen, dazu 6 weitere und einen Lehrer verletzt. Oxford liegt nördlich Detroit, also ca. 3 Stunden Autofahrt vom Atlanta entfernt. (fast nichts für einen Amerikaner) Allein in meinem Englischkurs waren zwei Schüler, die jemanden kannten, der vor Ort war und ein guter Teil der neuen Schüler kommen aus der Gegend. Die kennen da also auch Betroffene. Was soweit ich weiß nicht in den deutschen Medien gesagt wurde ist, dass es in Oxford einen Helden gab. Tate Myre (16), ein 16-jähriger Footballspieler, hat versucht den Angreifer zu entwaffnen. Er wurde dabei schwer verletzt und ist auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben. Daraufhin wurde am 1. Dezember eine Petition gestartet, die darüber entscheiden soll, ob das Footballstadion der Oxford High School nach ihm umbenannt wird. Die anderen Toten waren zwei Mädchen im Alter von 14 und 17 und ein Junge im Alter von 17 Jahren.
Nachdem ich am Mittwoch nur kurz im Unterricht davon gehört und gleich wieder vergessen habe, wurde es am Donnerstag dann persönlicher. Am Eingang der Schule stand ein Sheriff und wir haben den Vorfall ausführlich im Unterricht besprochen.

Der Sheriff stand nicht ohne Grund da. Wie ich im Laufe des Tages erfahren habe, gab es auch bei uns eine Gewaltandrohung. Der Schüler wurde sofort suspendiert und muss jetzt verschiedene Stationen durchlaufen, um sicherzustellen, dass keine Gefahr mehr von ihm ausgeht, wenn er überhaupt wieder zur Schule darf. Ich vermute der Sheriff sollte sichergehen, dass der Betroffene wirklich nicht reinkommt. Meine Englischlehrerin hat uns dann nochmal genau erklärt, wie wir uns in einem Ernstfall zu verhalten haben. Da wir vor einigen Wochen bereits einen Lockdown hatten, wusste ich schon halbwegs Bescheid. (Das war aber aus einem anderen Grund) Das Ziel ist auf jeden Fall erstmal den Raum leer aussehen zu lassen. Es lohnt sich schließlich nicht in einen leeren Raum einzudringen. Dafür haben wir alles Licht ausgeschaltet und uns dann nach Hinten auf den Boden gesetzt, sodass wir möglichst von den Fenstern und der Tür weg sind. Für den Fall, dass wir Schüsse hören, sollen wir Tische vor die Tür schieben und Scheren verteilen, damit wir wenigstens etwas zum Verteidigen haben. Als Beispiel hat sie uns ein Video aus Oxford gezeigt, dass von einem Schüler gepostet wurde. Man sieht die Schüler und deren Lehrer in einem Klassenraum auf dem Boden sitzen, als jemand an der verschlossenen Tür klopft und sagt er wäre Polizist und sie könnten rauskommen. Der Lehrer antwortet, sie würden das Risiko nicht eingehen, woraufhin die Person meint „Sieh meinen Ausweis, bro“. Nach der Äußerung „bro“ war klar, dass es der Amokläufer ist und der Lehrer hat die Schüler angewiesen aus dem Fenster in einen bereits gesicherten Teil der Schule zu flüchten. Wir haben allerdings nicht nur über das Verhalten im Klassenraum gesprochen, sondern auch Ideen gesammelt, was wir tun können, wenn wir uns aus irgendeinem Grund auf dem Flur befinden. Ich schätze die beste Idee war, sich in einem Locker zu verstecken. Außerdem hat unsere Lehrerin gesagt, dass wir, wenn wir bei ihr sind und den Raum verlassen müssen, zu den Bussen gehen sollen und in einen einsteigen. Sie hätte zwar noch nie einen Bus gefahren, aber das würde sie auch sehr schnell hinkriegen. Da viele Schüler schon mit dem Auto zur Schule kommen, hat sie auch noch gesagt, sie würde niemanden daran hindern mit seinem Auto die Flucht anzutreten, aber man solle sich dann wenigstens im Sekretariat oder bei der Polizei melden und Bescheid geben, dass man sich nicht mehr in der Schule befindet.

Nach dem Lunch hatten wir dann eine Versammlung in der Turnhalle, in der das Thema generell und Prävention nochmal ausführlich besprochen wurde. Ich fand sehr gut, dass unser Superintendent uns ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass wir alle verantwortlich sind für das was wir sagen und auch das was wir nicht sagen. Man weiß nie, was eine witzig gemeinte Bemerkung in dem Gegenüber auslösen kann und was passiert, wenn wir Anzeichen einer Eskalation nicht melden. Ein Sheriff hat uns dazu noch auf Okay2Say hingewiesen. Das ist eine App oder Website, auf der man zum Beispiel eine Situation beschreiben kann, wenn ein Schüler eine Drohung ausgesprochen hat. das geht dann direkt zur Polizei. Wie bereits in vielen anderen Fällen vorher, hatte der Schüler von Oxford seine Tat sehr deutlich im Voraus auf Social Media angekündigt, zusammen mit einem Foto der Waffe, weshalb einige Schüler an dem Tag zuhause geblieben sind. Wegen seines auch sonst sehr auffälligen Verhaltens hatte es wohl schon mehrere Gespräche mit dem Direktor und seinen Eltern gegeben, aber es wurden keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Seine Eltern haben ihn bei der Ausführung des Planes zumindest indirekt unterstützt. Die Waffe war ein frühes Weihnachtsgeschenk für ihn. Sein Vater hatte sie ihm nur wenige Tage vorher gekauft und seine Mutter hat mit ihm geübt. Danach befand sich die Waffe frei zugänglich im Schlafzimmer der Eltern. Aus dem Grund wurden sie am Freitag, 3. Dezember, verhaftet.
Zumindest in der nächsten Zeit wird so eine Tragödie nicht nochmal passieren. Ob ernst gemeint oder nicht, Atlanta war nicht die einzige Schule mit einer Drohung. Verschiedene andere Schulen wurden aus dem Grund sogar kurzfristig geschlossen.
Ich verstehe jetzt auf jeden Fall, warum Amerikanische Klassenräume normalerweise nur mit einem Schlüssel betreten werden können (Soweit ich weiß ist nur die Tür meines Mathelehrers unverschlossen.) Uns wurde von verschiedenen Lehrern gesagt, dass es wichtig ist, dass die Tür im Ernstfall verschlossen bleibt, egal, wer davor steht oder als was sich derjenige ausgibt. Wenn wirklich die Polizei da stehen sollte, kann die sich einen Schlüssel organisieren und selber aufschließen. Wie bereits erwähnt habe ich vor einigen Wochen selbst einen Lockdown erlebt, den ich zunächst für eine Übung gehalten habe. Allerdings hat mein Mathelehrer am Donnerstag etwas von einem sich komisch verhaltenden Auto erwähnt, dass auf der anderen Straßenseite stand. Aber bevor ich das wusste und das in Oxford passiert ist, dachte ich, das ist ja eigentlich ganz gut, das mal zu üben. Dann kommt ein bisschen Routine rein, für den Fall, dass wirklich mal etwas passiert, wie bei einem Feueralarm. Aber dass es gar nicht so unwahrscheinlich ist, dass es ein Ernstfall wird, hätte ich nicht gedacht. Oxford war der 29. und tödlichste Amoklauf in diesem Jahr in den USA.
Ethan Crumbley, der Täter, wird wegen vierfachen Mordes, Terrorismus und weiteren Verbrechen angeklagt, wobei er sich nicht als Jugendlicher sondern als Erwachsener verantworten muss. Seine Eltern werden wegen Totschlags angeklagt.

2 Kommentare

  1. Irmhild
    6. Dezember 2021
    Antworten

    Liebe Johanna, ich wollte dich schon anschreiben, wie der Amoklauf bei euch aufgenommen wurde. Das ist eine fürchterliche Sache. In meiner Schullaufbahn habe ich mehrere Androhungen erlebt, aber die Polizei konnte immer im Vorfeld ermitteln, wer es war und dann gab es eine Gefährderansprache bei denjenigen zuhause. Die Grundschule in Bordesholm haben wir aus dem Grund auch einmal geräumt und am nächsten Tag einige Sicherheitsratschläge der Polizei bekommen.
    Sehr gut finde ich die App und auch die Hinweise, was unsere Worte oder unsere kalte Schulter bei anderen auslösen können.
    Ich wünsche euch, dass ihr wieder in die Normalität zurück finden könnt und nicht ìn Panik verharrt. Und dass sich so etwas nicht wiederholt. Den betriffenen Familien und Freunden/Klassenkameraden wünsche ich ganz viel Trost.
    Geh im Frieden Jesu, der auch Herr über solche Situationen ist.
    Liebe Grüße Irmhild

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert